Lebendig begraben, weil man irrtümlich für tot gehalten wurde: Diese Angst treibt Menschen schon lange um. Tatsächlich kommen solche folgenschweren Irrtümer immer wieder vor. Doch was bedeutet eigentlich scheintot und warum ist das Ende des Lebens so schwer zu bestimmen?
Wenn ein Mensch fälschlicherweise für tot gehalten wird, kann das tragische Folgen haben. Immer wieder gibt es Berichte über solche verhängnisvollen Irrtümer. So starb im Jahr 2002 eine Frau in einer Leichenhalle in Mettmann an Unterkühlung. Die 72-Jährige war zuvor in einem Pflegeheim bewusstlos vorgefunden und irrtümlich für tot erklärt worden.
Bei einer 89 Jahre alten Frau in Nordhorn wurde der Fehler früher bemerkt. In dem Fall im Jahr 2009 stellte ein Bestatter fest, dass die von einem Arzt für tot erklärte Seniorin noch am Leben war.
Die Angst, fälschlicherweise für tot gehalten und lebendig bestattet zu werden, ist alt. Schon aus der Antike gibt es Berichte darüber. Das Risiko war in der Vergangenheit ohne das heutige medizinische Wissen und die modernen Untersuchungsmethoden deutlich höher.
Wissenschaft verändert Definition des Todes
Als Scheintod bezeichnet man umgangssprachlich einen Zustand, in dem die Körperfunktionen so reduziert sind, dass die Betroffenen den Anschein erwecken, tot zu sein, obwohl sie noch leben. Medizinisch ist das keine klar definierte Diagnose. Mögliche Ursachen für reduzierte Lebensfunktionen können Unterkühlung, ein Stromschlag, Betäubungsmittel, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Kohlenmonoxid-Vergiftung sein.
Wann genau der Zeitpunkt des Todes eintritt, ist auch heute noch eine Definitionsfrage. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurde der Tod festgestellt, indem man Atmung und Herzschlag überprüfte. Fehlten diese, galt ein Mensch als verstorben. Und die Messmöglichkeiten waren sehr begrenzt. Man behalf sich damit, dem Patienten einen Spiegel vor das Gesicht zu halten, um zu sehen, ob dieser beschlug oder legte ihm eine Feder auf den Mund und prüfte, ob diese sich bewegte.
Die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Aufklärung ermöglichten es Ärzten, auch den Sterbeprozess besser zu verstehen. Die Eindeutigkeit der früheren Methoden zur Feststellung des Todes wurde in Zweifel gezogen. Der Scheintod wurde dadurch zu einem vieldiskutierten Thema in der Gesellschaft.
Die Angst, lebendig begraben zu werden
Die Furcht, irrtümlich bestattet zu werden, schlug sich in konkreten Absicherungsmethoden nieder. So wurden Särge mit Belüftung und einer Vorrichtung zur Öffnung von innen angeboten. Ein Zugsystem sollte außerdem an der Oberfläche ein Glöckchen klingeln lassen, wenn sich der Körper im Sarg regte.
Auch heute besitzen Leichenkühlzellen in Deutschland eine Entriegelungsvorkehrung auf der Innenseite. Diese werden glücklicherweise nicht oft gebraucht. Fehler bei der Feststellung des Todes sind selten.
Doch wo genau die Grenze zwischen Leben und Tod zu ziehen ist, bleibt trotz des wissenschaftlichen Forstschritts diskussionswürdig. Denn der Sterbeprozess hat unterschiedliche Phasen. Auch um eine juristische Sicherheit für Ärzte zu gewährleisten, wurden rechtliche Definitionen festgelegt.
Unterschiedliche Todesbegriffe
Der sogenannte Hirntod ist etwa für die Organspende relevant. Sobald Zellveränderungen im Gehirn so fortgeschritten sind, dass die Wiederherstellung der Hirnfunktionen ausgeschlossen ist, gilt ein Mensch als hirntot. Nach dem Hirntod – aber noch vor dem Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems – werden die Spenderorgane entnommen.
Wenn das Herz-Kreislauf-System und die Atmung zum Stillstand gekommen sind, spricht man vom klinischen Tod. Der biologische Tod schließlich tritt dann ein, wenn die letzte Körperzelle abgestorben ist. Das kann Stunden oder auch erst Tage nach dem klinischen Tod der Fall sein.
Wenn ein Mensch irrtümlich für tot erklärt wird, kann das daran liegen, dass ein Arzt die Anzeichen falsch deutet oder zu voreilig handelt. So genügt die Feststellung des klinischen Todes allein nicht, um einen Totenschein auszustellen, weil es in dieser Phase theoretisch noch möglich ist, die Lebensfunktionen wiederherzustellen.
Zusätzlich muss mindestens eines der sicheren Todeszeichen festzustellen sein, die sich erst einige Zeit nach dem Eintreten des klinischen Todes zeigen. Dazu zählen Totenflecke (Livores) und die Leichenstarre (Rigor mortis).
Künstlicher Scheintod rettet Leben
Ein Zustand, in dem die Vitalfunktionen extrem reduziert sind, kann in besonderen Situationen sogar nützlich sein. US-amerikanische Ärzte haben eine neue Methode entwickelt, um bei Schwerverletzten den Tod zu verzögern, um mehr Zeit für lebensrettende Maßnahmen zu gewinnen.
Die Körperzellen sterben ab, wenn ihnen kein Sauerstoff mehr zugeführt wird. Doch wenn die Lebensfunktionen extrem heruntergefahren werden, wird auch weniger Sauerstoff benötigt. Der gesamte Prozess verlangsamt sich.
Diesen Zustand erreichen die Mediziner durch ein starkes Herabkühlen des Körpers und den Austausch des Blutes mit einer Salzlösung. Fachsprachlich wird dieses Verfahren Notfallkonservierung genannt. Scheintot im eigentlichen Sinne sind die Patienten nicht. Die Entwickler des Verfahrens verwendeten jedoch den nichtwissenschaftlichen Begriff Scheintod in der Veröffentlichung, in der sie die neue Methode beschrieben.
Verwendete Quellen:
- Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Vom Scheintod zur Notfallmedizin
- Dominik Groß: Sterbeprozesse – Annäherungen an den Tod
- Ärztezeitung Online: Tot oder nicht tot – das ist hier die Frage
- New Scientist: Humans placed in suspended animation for the first time
- Handelsblatt Online: An Unterkühlung gestorben – Scheintote Rentnerin starb in Leichenkammer
- Welt Online: Falsche Notarztdiagnose - Frau lebendig im Sarg
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