- Immer mehr Menschen stecken sich mit der Omikron-Variante an.
- Kann eine vierte Impfung mit mRNA-Vakzinen den individuellen Schutz erhöhen?
- Israelische Forscher haben nun Studienergebnisse dazu veröffentlicht.
Das Coronavirus lässt uns keine Ruhe, die Omikron-Variante dominiert das Infektionsgeschehen in Deutschland. Wenn der Verlauf auch in den meisten Fällen mild ist: Die Variante ist sehr ansteckend. Eine erneute Auffrischung mit mRNA-Impfstoffen kann den Schutzeffekt kaum steigern, wie nun eine aktuelle Studie aus Israel zeigt.
Warum die Studie wichtig ist
Die Infektionszahlen steigen, die Inzidenzen in Deutschland sind in fast jedem Landkreis so hoch wie nie zuvor. Auch ältere Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, schwer an COVID-19 zu erkranken, sind wieder stärker von Infektionen mit dem Coronavirus betroffen.
Viele fragen sich jetzt vielleicht: Sollte sich meine Mutter, mein Opa oder ich selbst mich noch ein viertes Mal impfen lassen, vor allem, wenn die dritte Impfung schon eine Weile her ist?
Selbst eine dreifache Impfung schützt nicht in jedem Fall davor, sich mit der Omikron-Variante anzustecken und an COVID-19 zu erkranken. Die Schutzwirkung vor einem schweren Krankheitsverlauf ist aber nach wie vor hoch. Sie wird nach dem Booster derzeit mit 86 Prozent angegeben.
Kann eine vierte Impfung den Schutz noch weiter erhöhen? Die Immunantwort weiter aktivieren oder festigen, so dass auch Ansteckungen und leichtere Erkrankungen seltener werden? Kann die Schutzwirkung für alte oder geschwächte Menschen verstärkt werden? Wichtige Fragen, die beantwortet werden müssen angesichts der aktuellen Situation und der notwendigen Planungen für den kommenden Herbst.
Wem die Stiko die vierte Impfung in Deutschland empfiehlt
Die Stiko empfiehlt eine zweite Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff zurzeit Menschen, die 70 Jahre oder älter sind, Bewohnerinnen und Betreute in Pflegeeinrichtungen und Personen, deren Immunsystem geschwächt ist – frühestens drei Monate nach dem ersten Booster. Frühestens sechs Monate nach der ersten Auffrischung sollte sich das Personal in Kliniken, Praxen oder Pflegeeinrichtungen ein viertes Mal impfen lassen.
Der Gedanke dahinter: Das Personal hat ein höheres Infektionsrisiko, weil es häufiger Kontakt zu Infizierten hat als die Normalbevölkerung. Die zusätzliche Impfung soll den individuellen Schutz erhöhen, einem Engpass in der Pflege durch Krankheitsausfälle entgegenwirken und verhindern, dass sich Kranke und Alte in den Einrichtungen über das Personal infizieren.
So gingen die Forscher in Israel vor
Von 1050 Angestellten des Sheba Medical Center in der Nähe von Tel Aviv ließen sich 154 (mit Biontech/Pfizer) beziehungsweise 120 (mit Moderna) vier Monate nach der dritten Immunisierung ein viertes Mal impfen. Der Altersdurchschnitt der Geimpften lag bei rund 57 Jahren. Die Impfungen fanden von Ende Dezember 2021 bis Anfang Januar 2022 statt – eine Phase, in der es in Israel viele Ansteckungen mit Omikron gab.
Die Epidemiologin Gili Regev-Yochay und ihre Kollegen vom Sheba Medical Center bestimmten die Antikörper im Blut der Geimpften eine bis drei Wochen später und prüften bis vier Wochen danach, ob die Geimpften sich mit dem Coronavirus ansteckten und an COVID-19 erkrankten. Als Kontrollgruppe dienten Kollegen der Klinik, die sich nicht ein viertes Mal hatten impfen lassen.
Das Ergebnis der Studie
Nach der vierten Impfung stiegen die Antikörperspiegel gegen das Coronavirus deutlich an. Drei Wochen danach waren die Werte neun- bis zehnfach höher als noch kurz vor der vierten Impfung. Der Effekt ähnelt demjenigen nach der dritten Impfung. Hier steigen die Werte ebenfalls zunächst an, fallen nach einigen Wochen aber wieder ab.
Auch wenn die Antikörperspiegel (wenigstens kurzfristig) ansteigen, der Schutz vor einer Ansteckung mit Omikron tut es nicht.
- Von den 154 Personen, die ein viertes Mal mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer immunisiert worden waren, steckten sich im Verlauf der nächsten vier Wochen 28 (18 Prozent) mit dem Virus an.
- 22 (14 Prozent) erkrankten an COVID-19, die Symptome waren durchweg mild.
In der Moderna-Gruppe lief es ähnlich. Zum Vergleich: in der Kontrollgruppe steckten sich 25 Prozent an, 24 Prozent hatten Symptome.
Die Viruslast war bei den meisten, die sich angesteckt hatten, recht hoch. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Betroffenen das Virus trotz der vierten Impfung an andere weitergeben.
Nebenwirkungen: Wie sicher die vierte Impfung ist
"Die zweite Auffrischimpfung wird vergleichbar gut vertragen wie die erste", schreibt das Robert-Koch-Institut und bezieht sich dabei auf noch nicht veröffentlichte Daten aus Israel von rund 550.000 geimpften Personen:
- In der kleinen aktuellen Studie bekamen von den 274 vierfach Geimpften 18 kurzzeitig Fieber, ein Drittel fühlte sich erschöpft, ein Viertel klagte über Muskelschmerzen.
- Schwere Impfreaktionen gab es nicht.
Welche Schwächen die Studie hat
Die Studie ist klein, die Wirksamkeit im Vergleich zur dreimaligen Impfung ist nicht oder nur grenzwertig signifikant gesteigert. Alte und kranke oder immungeschwächte Personen waren nicht eingeschlossen.
Welche Bedeutung das Studienergebnis hat
Die vierte Dosis fordert das Immunsystem noch einmal heraus. Das ist an den (vorübergehend) wieder ansteigenden Antikörpern zu erkennen. Durch den erneuten Piks bildet die Körperabwehr aber nicht mehr Omikron-spezifische Antikörper als nach der dritten Impfung.
"Unsere Resultate zeigen, dass die maximale Immunogenität der mRNA-Impfstoffe offensichtlich nach drei Impfungen erreicht ist", schreiben die Studienautoren. Eine erneute Auffrischung habe für gesunde, junge Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt nur einen geringen Nutzen. Offenbar stoße die dritte Dosis mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 an eine Art Obergrenze der Immunität, sagt auch der Immunologe Miles Davenport von der University of New South Wales in Sydney.
Fast jeder Fünfte der Mitarbeitenden der Klinik steckte sich im Studienverlauf trotz erneuter Impfung mit Omikron an. Selbst bei milden Symptomen hatten die Betroffenen eine so hohe Viruslast im Nasen-Rachenraum, dass eine Weitergabe an andere nicht ausgeschlossen werden kann. Genau das war aber ja einer der Gründe gewesen, warum Gesundheitspersonal sich erneut impfen lassen sollte.
Worüber die Untersuchung keine Aussagen macht
Die Studie kann keine Aussagen darüber machen, ob eine vierte Impfung nicht irgendwann doch sinnvoll wäre. Das hängt auch davon ab, ob in der Zwischenzeit eine natürliche Infektion für einen Booster gesorgt hat und ob neue Virusvarianten auftauchen werden.
Aus den Daten kann man ebenfalls nicht schlussfolgern, wie der Nutzen einer vierten Impfung bei immungeschwächten Personen einzuschätzen ist. Vier von zehn Personen, deren Gesundheit aus unterschiedlichen Gründen beeinträchtigt ist, stellen als Antwort auf die Impfung weniger Antikörper her als Gesunde. Die Hälfte der immunsupprimierten Patienten in einer Studie zeigte erst nach der dritten Corona-Impfung eine Immunantwort in Form von Antikörpern. Manche brauchen vier Immunisierungen, damit überhaupt Antikörper gegen das Coronavirus nachweisbar sind.
Eine vierte Impfung für alle?
Experten meinen, zukünftig müsse man sich bei den Impfungen mehr auf die vulnerablen Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Booster und Behandlungen müssten in erster Linie genau für diese Menschen bereitstehen. Die meisten Gesunden haben auch mehrere Monate nach der dritten Impfung noch ausreichende Antikörper, Gedächtniszellen und spezielle T-Zellen im Blut, die sie vor einer schweren COVID-19-Erkrankung schützen.
Es bleibt zu bestimmen, wie lange dieser Schutz bei den immungeschwächten oder alten Menschen anhält. "Wir können nicht den ganzen Planeten alle vier bis sechs Monate impfen", sagt der Immunologe Andrew Pollard von der Universität Oxford, einer der Entwickler des AstraZeneca-Impfstoffs.
Verwendete Quellen:
- Ärzteblatt: Omikron: Booster schützt vor Hospitalisierung, aber nicht unbedingt vor Tod im Krankenhaus
- Robert-Koch-Institut: Wissenschaftliche Begründung der Stiko zur Empfehlung zur 2. COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff für besonders gesundheitlich gefährdete bzw. exponierte Personengruppen
- thebmj: COVID-19: Fourth vaccine doses—who needs them and why?
© RiffReporter
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